Wichtig: Das Bundesverfassungsgericht hat am 5.11.2019 entschieden, dass Hartz-4-Sanktionen teilweise verfassungswidrig sind. Nach Auffassung der Richter sind Sanktionen von 60 oder 100 Prozent nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Die Regelungen zur Sanktionierung von Leistungsempfängern müssen nun überarbeitet werden.
Wenn Leistungsempfänger ihre Pflichten verletzen, kann das Jobcenter Sanktionen verhängen, das heißt, eine Minderung des Regelbedarfes von 30, 60 oder 100 Prozent. Solch eine Sanktion kann sich auf die Miete und die Krankenversicherungsbeiträge auswirken. Was das im Klartext bedeutet, haben wir für Sie zusammengefasst.
Das Wichtigste zur 100-Prozent-Sanktion für Hartz-4-Empfänger zusammengefasst
Eine 100-Prozent-Sanktion bedeutet für Hartz-4-Empfänger die vollständige Streichung der Leistungen für drei Monate. Davon ist auch die Miete betroffen. Ausnahme: Es leben minderjährige Kinder im Haushalt.
Während der Vollsanktion können ergänzende Sachleistungen beantragt werden. Dies sollte unbedingt geschehen, damit das Jobcenter weiterhin die Pflege- und Krankenversicherung zahlt.
Nein. Nach der Entscheidung vom Bundesverfassungsgericht vom 5.11.2019 ist es aktuell nicht möglich, eine Hartz-4-Sperre anzuordnen.

Inhalt
Jobcenter verhängt 100-prozentige Sanktion: Auch die Miete ist betroffen

Bei einer 100-prozentigen Sperre der Hartz-4-Leistungen wird die Miete nicht mehr vom Jobcenter gezahlt. Es gibt eine Ausnahme: Leben minderjährige Kinder in der Bedarfsgemeinschaft, kann das Jobcenter ab einer Minderung von 60 Prozent des Hartz-4-Bedarfs die Miete direkt an den Vermieter zahlen.
Das liegt daran, dass Kinder nicht unter einer 100-Prozent-Sanktion der Hartz-4-Leistungen der Eltern leiden sollen. Dies ist auf § 31a Abs. 3 Sozialgesetzbuch (SGB) II zurückzuführen.
Droht durch die Vollsanktion der Verlust der Wohnung, sollten Sie unbedingt das Gespräch mit dem Sachbearbeiter suchen.
100-prozentige Sanktion bedeutet kein Hartz 4 mehr: Was können Sie tun?

Gegen eine 100-Prozent-Sperre können Hartz-4-Empfänger grundsätzlich Widerspruch einlegen. Dies muss innerhalb von vier Wochen geschehen und gut begründet werden. Ein Blick in die Rechtsprechung zeigt, dass es sehr oft auf den Einzelfall ankommt.
Mithilfe eines Beratungshilfescheins können Sie auch einen Anwalt für Sozialrecht zurate ziehen, der Ihnen beim Widerspruch hilft und die Erfolgschancen eines solchen einschätzt.
Ohnehin sollten Sie zeitnah tätig werden, vor allem dann, wenn Minderjährige in Ihrem Haushalt leben. Kinder sollen nicht unter den Sanktionen leiden, weshalb nach § 31a Abs. 3 SGB II beispielsweise die Kosten für Unterkunft und Heizung weiterhin – jedoch direkt an den Vermieter – gezahlt werden sollten.
Weiterhin besteht bei Sanktionen von mehr als 30 Prozent außerdem die Möglichkeit, ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen (Lebensmittelgutscheine) zu beantragen. Auch hier gilt: Wenn minderjährige Kinder versorgt werden müssen, darf das Jobcenter diesen Antrag nicht ablehnen.
In § 31a Abs. 1 Satz 6 heißt es:
Erklären sich erwerbsfähige Leistungsberechtigte nachträglich bereit, ihren Pflichten nachzukommen, kann der zuständige Träger die Minderung der Leistungen nach Satz 3 ab diesem Zeitpunkt auf 60 Prozent des für sie nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs begrenzen.
Es ist deshalb dringend zu empfehlen, das Gespräch mit dem zuständigen Sachbearbeiter zu suchen. Wer sich nach einer bereits verhängten 100-prozentigen Sanktion der Hartz-4-Leistungen kooperativ zeigt, kann die vollständige Sperre vielleicht noch verhindern.
Bekommen Hartz-4-Empfänger bei einer 100-Prozent-Sanktion die Krankenversicherung weiter gezahlt?

Grundsätzlich gilt: Entfällt der Anspruch auf Arbeitslosengeld (ALG) 2 vollständig, übernimmt das Jobcenter während der 100-Prozent-Sanktion auch nicht mehr die Beiträge zur Pflege- und Krankenversicherung. Der Betroffene muss sich dann „freiwillig“ versichern, das heißt, die Krankenversicherungsbeiträge selbst bezahlen.
An dieser Stelle lohnt es sich, genauer hinzusehen. Die Kosten für die Krankenversicherung werden solange vom Jobcenter gezahlt, wie der Betroffene als Leistungsbeziehender gilt. Bei einer 100-Prozent-Sanktion entfallen alle Hartz-4-Leistungen, damit ist die Voraussetzung des Leistungsbezugs nicht mehr gegeben.
Beantragt der Betroffene jedoch ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen (Lebensmittelgutscheine) und werden diese bewilligt, besteht de facto ein Leistungsbezug. Damit ist die wichtigste Voraussetzung für die Kostenübernahme der Krankenversicherungsbeiträge erfüllt.
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Silvana meint
Würd bei einer 60 prozentigen Kürzung Arbeitslosengeld ll weiter bezahlt?