Hartz-4-Kinder mit Lese-Rechtschreibschwäche sollen vom Jobcenter auch längerfristig eine Lernförderung erhalten. Das entschied das Bundessozialgericht (BSG) am Mittwoch in Kassel. Die Entscheidung, welche Förderung im Einzelfall angemessen ist, liegt aber im Ermessen des jeweiligen Jobcenters.
Was war der Hintergrund?

Bei einem 16-Jährigen aus Bad Segeberg wurde bereits 2011, als er in der dritten Klasse war, eine Lese-Rechtschreibschwäche festgestellt. Daraufhin nahm er mehrere Jahre lang Förderunterricht.
Seine Mutter erhielt in dieser Zeit Arbeitslosengeld und hatte Schwierigkeiten, die teuren Kursgebühren von bis zu 89 Euro im Monat aufzubringen. Deshalb beantragte sie die Übernahme der Kosten durch das Jobcenter, welches den Antrag mit der Begründung ablehnte, Hartz-4-Kinder mit Rechtschreibschwäche hätten nur für kurze Zeitabschnitte und bei akuter Versetzungsgefahr einen Anspruch auf Förderung.
Ein wichtiges Urteil für Hartz-4-Empfänger mit Kindern

Das Bundessozialgericht entschied nun auch auf höchster Ebene gegen die Erklärung des Jobcenters (Aktenzeichen B 4 AS 19/17 R). Die Begründung: Es gehe bei der Förderung nicht nur darum, kurzfristig Schulergebnisse zu verbessern und eine Versetzung zu ermöglichen, sondern vielmehr um den Erwerb bedeutsamer Kulturtechniken. Das Gericht berief sich auch auf das Bundesverfassungsgericht, welches gleiche Chancen für Hartz-4-Kinder forderte.
Die Rechtschreibschwäche ist ebenfalls ein Nachteil, der ausgeglichen werden muss. So genießen Legastheniker in vielen Bundesländern einen Notenschutz in der Schule. Lehrer müssen bei der Benotung die Schwäche der Schüler berücksichtigen, so zum Beispiel bei der Bewertung von Rechtschreibfehlern.
Ob dem Schüler aus Bad Segeberg aber seine Kosten erstattet werden, ist nicht abschließend geklärt. Es obliegt nun dem Landessozialgericht in Schleswig-Holstein, zu prüfen, ob der Kurs, den der Junge besuchte, als Förderkurs im Sinne des Urteils zählt und wie stark seine Lese-Rechtschreibschwäche eigentlich war.