Der gesetzliche Mindestlohn erhöhte sich am 1. Januar 2022 auf 9,82 Euro brutto pro Arbeitsstunde. Dabei unterscheidet er sich vom Branchen-Mindestlohn, der in der Regel höher ausfällt. Informieren Sie sich über die Ausnahmeregelung für Langzeitarbeitslose in Deutschland und erfahren Sie, warum der Mindestlohn Aufstockern nicht weiterhilft.
Das Wichtigste zum Mindestlohn zusammengefasst:
Das Mindestlohngesetz bestimmt, dass seit 1. Januar 2022 eine Lohnuntergrenze von 9,82 Euro nicht mehr unterschritten werden darf. Demzufolge mussten zu diesem Datum einige Gehälter angepasst werden.
Normalerweise hat jeder Arbeitnehmer einen Anspruch auf den Mindestlohn. Es gibt im Arbeitsrecht jedoch Ausnahmen von dieser Regelung: Nach § 22 des Mindestlohngesetzes darf ein Unternehmen einem vormals Langzeitarbeitslosen erst nach sechs Monaten Mindestlohn bezahlen.
Neben dem gesetzlichen Mindestlohn gibt es Branchen-Mindestlöhne, die eine Lohngrenze innerhalb einer Branche festlegen. Diese liegen in der Regel über dem gesetzlichen Mindestlohn. Mehr dazu lesen Sie hier.
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Inhalt
Wie hoch ist der Mindestlohn?

Ganz allgemein ist der Mindestlohn per Gesetz geregelt. Das Gesetz für Mindestlohn heißt Mindestlohngesetz und fällt unter das Arbeitsrecht. Bei seiner Einführung im Jahr 2015 lag der Mindestlohn bei 8,50 Euro. Es ist möglich, dass der Mindestlohn nach Branchen variiert. Früher durften aufgrund einer Übergangsregelung einige Branchen diese gesetzliche Lohnuntergrenze noch unterschreiten, wenn sie tariflich vereinbart war.
Mittlerweile gilt allerdings für alle Branchen: Die gesetzliche Lohnuntergrenze darf nicht mehr unterschritten werden. Bei der Berechnung vom Mindestlohn muss beachtet werden, dass es sich bei dem festgelegten Stundenlohn um den Bruttolohn handelt.
Um den Netto-Mindestlohn zu berechnen, können Sie einen Online-Mindestlohnrechner zurate ziehen oder sich an die Mindestlohn-Hotline des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales wenden.
Branchen-Mindestlöhne sind höher als der gesetzliche Mindestlohn
Neben dem gesetzlichen Mindestlohn gelten in Deutschland auch Branchen-Mindestlöhne. Diese werden weiterhin von Gewerkschaften und Arbeitgebern ausgehandelt, in Tarifverträgen festhalten und von der Politik für allgemeinverbindlich erklärt. Sie gelten für alle Betriebe einer Branche, auch solche, die nicht tarifgebunden sind.
Branche | Geltungsbereich | Mindestlohn |
---|---|---|
Abfallwirtschaft | 01.10.21 - 30.09.22 (Bundesgebiet) | 10,45 € |
Aus- und Weiterbildungsdienstleistungen | 01.01.22 - 31.12.22 (Bundesgebiet) | 17,18 € (Lohngruppe 1) 17,70 € (Lohngruppe 2) |
Elektrohandwerk | 01.01.22 - 31.12.22 (Bundesgebiet) | 12,90 € |
Gebäudereinigung | 01.01.22 - 31.12.22 (Bundesgebiet) | 11,55 € (Lohngruppe 1) 14,81 € (Lohngruppe 6) |
Leiharbeit/Zeitarbeit | 01.04.21 - 31.03.22 (Bundesgebiet) | 10,45 € |
Steinmetz- und Steinbildhauerhandwerk | 01.11.21 - 31.07.22 (Bundesgebiet) | 12,85 € |
Gründe für die Einführung von Mindestlöhnen

Damit Lohn und Produktivität in einem angemessenen Verhältnis bleiben, gibt es Tarifverträge. Auch vor der Einführung des Mindestlohns regelte der Tarifvertrag unter anderem das Gehalt innerhalb einer Branche. Diese galten verbindlich und einheitlich für alle Parteien eines Tarifverbandes.
Allerdings wurde bereits seit 1998 ein immer fortschreitender Rückgang von Tarifbindungen beobachtet, das heißt immer weniger Arbeitnehmer wurden durch Tarifverträge erreicht. Dem sollte die Einführung eines allgemein verbindlichen Mindestlohns entgegenwirken. Durch mehrere Gesetze, wie das Arbeitnehmer-Entsendegesetz, wurde zunächst eine einheitliche Lohnuntergrenze für bestimmte Branchen festgelegt. Diese wurde auf andere Branchen ausgeweitet, sodass nun eine allgemein verbindliche Lohnuntergrenze von 9,82 Euro eingehalten werden muss.
Obwohl der Branchen-Mindestlohn bundeseinheitlich geregelt ist, werden die Ost-West-Unterschiede darin berücksichtigt. Dies wirkt sich vor allem in der Beitragsbemessungsgrenze für die Beiträge zur Rentenversicherung, Arbeitslosenversicherung und Pflege- und Krankenversicherung aus. Diese liegen für Arbeitnehmer in den neuen Bundesländern niedriger als für Arbeitnehmer im Westen.
Kein Mindestlohn nach Hartz-4-Bezug
§ 22 Absatz (4) Für Arbeitsverhältnisse von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die unmittelbar vor Beginn der Beschäftigung langzeitarbeitslos im Sinne des § 18 Absatz 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch waren, gilt der Mindestlohn in den ersten sechs Monaten der Beschäftigung nicht. Die Bundesregierung hat den gesetzgebenden Körperschaften zum 1. Juni 2016 darüber zu berichten, inwieweit die Regelung nach Satz 1 die Wiedereingliederung von Langzeitarbeitslosen in den Arbeitsmarkt gefördert hat, und eine Einschätzung darüber abzugeben, ob diese Regelung fortbestehen soll.

Bei der Einführung des Mindestlohns 2015 wurden Langzeitarbeitslose, Personen, die für mehr als ein Jahr keine Arbeit hatten und arbeitslos gemeldet waren, mit einer Ausnahme bedacht. So ist ein ALG-Empfänger bei Antritt einer neuen Stelle für sechs Monate vom Mindestlohn ausgenommen. Das Unternehmen muss ihm erst nach sechs Monaten den Mindestlohn bezahlen.
Aber warum ist das so? Die Bundesregierung beabsichtigte mit dieser Ausnahme die Einstellungschancen für Langzeitarbeitslose zu verbessern. Gleichzeit trat damit ein erhöhtes Risiko für Langzeitarbeitslose auf, von Unternehmen immer nur für einen Zeitraum von sechs Monaten eingestellt zu werden. Deshalb dürfen Langzeitarbeitslose selbst entscheiden, ob sie von der Regelung Gebrauch machen möchten. Hierfür benötigen sie nur eine entsprechende Bescheinigung des Jobcenters.
Weiterhin ausgenommen vom Mindestlohn sind Personen unter 18 Jahren ohne Berufsschulabschluss. Grund dafür ist die Befürchtung, dass junge Menschen sich eher für einen Job als eine Berufsausbildung entscheiden könnten. Außerdem ausgenommen vom Mindestlohn sind Personen, die an einer Eingliederungs- oder Arbeitsbeschaffungsmaßnahme (z. B. Ein-Euro-Job) teilnehmen. Langfristig darf es aber vom Mindestlohn keine Ausnahmen mehr geben, das jedenfalls fordern Experten.
Der im § 22 Absatz 4 Satz 2 angekündigte Bericht über die Einschätzung zur Regelung für Langzeitarbeitslose wurde Anfang 2017 beschlossen und durch das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) durchgeführt. Die Untersuchung des IAB zeigte, dass nur wenige Langzeitarbeitslose sich dafür entscheiden.
Nur zwei Prozent der vormals Langzeitarbeitslosen, die an der Evaluation teilnahmen, gaben an, die Bescheinigung beantragt zu haben. In etwa einem Viertel der Fälle wurde die Bescheinigung zwar beantragt, aber nicht genutzt.
Insgesamt ergab die Untersuchung des IAB, dass die Ausnahmeregelung die Perspektiven von Langzeitarbeitslosen auf dem Arbeitsmarkt nicht verbessert hat. Allerdings blieb auch der, von vielen Seiten befürchtete, sprunghafte Anstieg von Entlassungen nach sechs Monaten aus. Tatsächlich gibt es bislang keine Hinweise darauf, dass die Ausnahmeregelung die Einstellungschancen von Langzeitarbeitslosen erhöht.

Das IAB folgerte: Die Sonderregelung für Langzeitarbeitslose hat keine nachweisbare Wirkung auf die Erfolgschancen von ALG-Empfängern, daher gibt es derzeit keine Gründe für eine Beibehaltung, aber auch keine Gründe für eine Abschaffung der Ausnahmeregelung. Deshalb wird die Regelung, auf Empfehlung der Bundesregierung, zunächst beibehalten.
Warum der Mindestlohn Aufstockern nicht weiterhilft
Es war eines der Hauptargumente für die Einführung des Mindestlohnes: der Rückgang sogenannter Aufstocker. Mindestlöhne sollten vor allem solchen Arbeitnehmern helfen, die trotz eines Arbeitsplatzes ihren Lebensunterhalt nicht decken konnten. Sie mussten mit Hartz 4 aufstocken. Das sollte der Mindestlohn ändern.
Die Bundesagentur für Arbeit berichtete 2012 von rund 323000 Haushalten mit Hartz-4-Aufstockern. Allerdings blieb die gewünschte Wirkung bislang aus. Zwar konnte ein Rückgang der Aufstockerzahlen verzeichnet werden, jedoch lag dieser weit unter dem erwarteten Wert. Grund dafür ist, dass viele Aufstocker eine sehr geringe Wochenarbeitszeit haben, die wenigsten von ihnen gehen einer Vollzeitbeschäftigung nach.

Doch nur wer Vollzeit arbeitet, kann mit dem Mindestlohn (brutto) von 9,82 Euro pro Stunde genug verdienen, um unabhängig von Sozialleistungen leben zu können. Problematisch ist dies vor allem für geringfügig Beschäftigte, sogenannte Minijobber.
Aber auch für viele Vollzeitkräfte verspricht der Mindestlohn nicht das Ende der Sozialleistungen. Ein Geringverdiener in Vollzeit kann mit dem Mindestlohn seinen eigenen Lebensunterhalt, jedoch nicht unbedingt den weiterer Personen im Haushalt decken. Daher müssen vor allem solche Vollzeitkräfte aufstocken, die neben sich noch ihre Familie versorgen müssen.
Bei der Erhöhung des Mindestlohnes im Januar 2022 handelt es sich nicht um eine einmalige Erhöhung. Laut Mindestlohngesetz soll der gesetzliche Mindestlohn alle zwei Jahre neu festgelegt werden. Mit ihrem Beschluss im Oktober 2020 hat die Bundesregierung jedoch schon angekündigt, dass der Mindestlohn nach der Erhöhung im Januar 2022 zum 1. Juli 2022 auf 10,45 Euro angehoben werden soll.
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